Das Glück und die vielen Wunder kommen nicht von selbst

Die Veränderung seines Lebens vollzog er schlagartig, ohne sie zu planen, ohne zu zweifeln und ohne Angst vor dem Neuen zu haben. Er zog aus seiner Großstadt am Rhein weg und ging Richtung Süden, dem Fluss folgend, um seinem Leben eine neue Qualität zu verleihen. Allerdings ertrug er kaum die anfängliche Stille des kleinen Dorfes; die Kirchturmuhren schlugen zwar laut, aber die Zeitabstände der Schläge waren irre lang und die Zeit in Fülle, die er plötzlich hatte, machte ihn eher ratlos als glücklich. Er wollte alles viel zu schnell. In einem rasanten Tempo verließ er seine Arbeit und in diesem gleichen Tempo erhoffte er sich eine sofortige Ankunft eines besseren Leben mit und in der Natur. Er weinte tagelang an dunklen Abenden seines alten Hauses und hatte viele Zweifel an seinen mentalen Kräften und seinem neuen Lebensentwurf. Der Ausstieg war einfach, das Leben jedoch, das nach diesem Ausstieg kam, erwies sich zuerst als schwierig.

Nun fühlt er mit jedem neuen Tag, dass er diesen Ausstieg schafft und jeden Tag geht er einen neuen kleinen Schritt auf ein sinnvolles und sinnerfülltes Leben zu. Jeder Spatenstich genießt er, wenn er die Erde durchwühlt, um seine Kartoffeln zu ernten. Er vergleicht mit viel Freude und viel Begeisterung die Mitte-Juli-Kartoffelernte und die zweite Anfang-November-Ernte. Jetzt sind die Kartoffeln größer und schöner als im Sommer, aber nicht so viele. Er läuft durch die Gässchen des Dorfes und trifft überall freundliche Menschen, die ihn bereits ins Herz geschlossen hatten. Er hat Angst vor dem Winter, erfreut sich jedoch noch an mancher Rose, die jetzt noch in diesen südlichen Regionen blüht. Der Feldsalat gedeiht prächtig und den Staren gönnt er seine letzten Feigen. Früher sah er nie diese Vögel, die auch “Gemeine Stare” genannt werden. Nun genießt er ihre “Gemeinheit”.

Nun gibt es kein Zurück mehr. Er will auch nicht mehr zurück. Er sucht lieber nach Brombeeren und Walnüssen als mit seiner Arbeit diese Früchte in minderer Qualität kaufen zu müssen. Nie in seinem Leben fand er so viele von diesen Früchten der Natur. Seine selbstgemachte Körper- und Haarseife, seine selbstgemachte Körper- und Gesichtscreme und das Kastanienwaschmittel machen ihn glücklich. Er hat wieder Zeit, Marmelade zu kochen, eine Gemüsesuppe vorzubereiten und er hat Zeit, sich Gedanken über die Welt, über die Umwelt und die Gesellschaft zu machen. Er hat jetzt Zeit, plastikfrei einzukaufen, zu joggen und zu träumen. Er belügt sich jedoch nicht. Er weiß, dass er privilegiert ist. Er weiß, dass seine Grundbedürfnisse finanziell gesichert sind, dass seine Krankenkassenbeiträge bezahlt werden können. Er versucht nur einen neuen Weg zu gehen, sich immer weiter von unserem Wirtschaftssystem zu entfernen, viel Gutes zu tun – für die Menschen, für die Umwelt und schließlich auch für sich selbst. Ein Smartphone zerschlug er, als er merkte, dass es sein Leben beherrschte. Es dauerte nicht lange und seine Zerstreutheit verschwand, seine Tage und seine Tätigkeiten waren wieder achtsamer und konzentrierter.

Er freut sich auf den Frühling, auf seine breiten Tulpenwiesen, die er dann stundenlang betrachten kann, ohne sie verlassen zu müssen – viel zu oft in jenen Momenten, wenn sie am schönsten blühen, wie das in der Vergangenheit meistens geschah. Er fürchtet sich vor dem Winter auf dem Lande, auch wenn er weiß, dass sein Rosenkohl nach dem ersten Frost herrlich schmecken wird. Und vielleicht werden die Weihnachtstage von ihm neu entdeckt werden – konsumfrei, stressfrei und unabhängig von menschlicher Anspannung – nur auf das Wesentliche gerichtet. Vielleicht gelingt es ihm, die Ratschläge der Bergpredigt zu verwirklichen, zu leben und sie zu achten:

„Glückselig sind die, die wissen, dass sie vor Gott arm sind. Denn ihnen gehört das Himmelreich. Glückselig sind die, die an der Not der Welt leiden. Denn sie werden getröstet werden. Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind. Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten. Glückselig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden. Glückselig sind die, die barmherzig sind. Denn sie werden barmherzig behandelt werden. Glückselig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen. Glückselig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen…“ (Aus dem Evangelium nach Matthäus)

Die Veränderungen sind schwierig, aber heutzutage überlebenswichtig. Der Mensch kann alles, wenn er nur genug Mut, Fantasie, Wünsche und Träume besitzt.

Er hat diese Eigenschaften und hofft, viele Leute von seinem Lebensentwurf zu begeistern. Er hofft, dass viele Menschen zur Ruhe kommen, ihre alten Bahnen verlassen und das Leben und die vielen Wunder darin neu entdecken – nicht heute, aber in einem moderaten Wandlungsprozess, der jedoch heute und nicht morgen beginnen sollte.

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