Regional glücklich

Es dauerte nicht lange und aus uns Menschen als Selbstversorger wurden Konsumenten. Und wir nennen es Fortschritt. Wir konsumieren die Weite, die Tausende von Kilometern von uns entfernt liegt. Und wenn wir nicht diese Weite erreichen können, dann leiden wir – sich die exotischen Vorstellungen von einem besseren Leben im Internet anschauend und immer noch denkend, dass in jener Ferne unser Glück liegt. Wir sehen nicht mehr unsere eigene Straße, vielleicht ein kleines Paradies, das bloß durch das Öffnen des Fensters zu erreichen ist. Und es mag sein, dass unsere Straße kein wahres Paradies ist. Wir sind als Menschen allerdings dazu fähig, diese eine kleine Straße, in das von uns erträumte Paradies zu verwandeln – mit ein paar Wildblumen, mit einem Rosenstrauch, oder durch einen freundlichen Gruß an unsere Nachbarn. Es zieht uns in die Weite. Wir sehnen uns nach muskulösen Männern und schlanken sportlichen Frauen, die wir aus den Medien kennen, dabei liegt die Schönheit in einem anderen Gesicht – vielleicht ganz in unserer Nähe. Wir lieben die vermüllten Strände und die Algen, die durch die Wellen des Mittelmeers herumgewirbelt werden und dabei übersehen wir, wie schön unsere Straße sein kann, wenn wir den Müll, der auf ihr liegt, aufsammeln. Wir sind immer glücklich woanders, nur nicht dort, wo wir gerade sind. Wir verweigern oft die Nähe, die wir viel zu oft mit Scheitern verbinden. Die wahren Helden fliegen doch um die Welt, sie machen Selfies vor den angeblichen Sehenswürdigkeiten dieser Welt. (Sie denken, dass sie sich dabei kulturell bilden). Diese Helden pflanzen doch keine Rosen und keine Wildblumen. Sie sammeln nicht den Müll. Wir lachen über die Asiaten, die an drei Tagen sieben europäische Länder bereisen. Und was machen wir? Wir bereisen die ganze Welt in unseren Träumen und vergessen dabei die Schönheit unserer Straße, wir vergessen das Nahe und das Spannende an unserem Wohnort. Wir wollen raus wie einst die französische Sozialistin Flora Tristan und denken, die Welt verbessern zu können, dabei legen wir Zuhause keinen Grundstein für diese Veränderung wie es damals Flora tat.
Irgendwo las ich über eine Nation, die zuerst die Eingeborenen ausrottete, dann Millionen Sklaven ausbeutete, etliche Länder zerbombte, die eigene Bevölkerung ohne Krankenversicherung darben ließ, um schließlich sagen zu können: I have a dream! Ich habe keine Träume mehr, ich verfolge nur meine kleinen Schritte, die mich nicht weit führen, aber weit bringen: zu einem lebenswerten Leben. Ich warte nicht zu Hause wie 1844 Charles Fourier, der verkündete, dass er jeden Tag zwischen 12 und 14 Uhr zu Hause warten würde, um seine sozialen Reformpläne jedem wohlhabenden Menschen zu erläutern, der sich bereit erklären würde, diese finanziell zu unterstützen. Kein einziger Reicher kam.
Die Geschwindigkeit meines Tuns nahm ich heraus. Bin langsamer, zögerlicher, jedoch fest davon überzeugt, meine Straße verändern zu können. Und ich suche keinen Arzt auf, obwohl Helmut Schmidt mal sagte: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“. Die Gestaltungsfreiheit, die ich und viele Menschen in ihren Jobs verloren haben, hole ich mir nach und nach zurück. „Unser Lebensstil und unsere Sorglosigkeit sind zur Bedrohung für unseren Planeten geworden“. (R. Yogeshwar: Nächste Ausfahrt Zukunft) Und sie sind zur Bedrohung unseres Geistes geworden, sie machen selbst krank.
Regional leben zu dürfen und dies auch zu können, kann zum Glück führen. Alles zurückzuschrauben, dem Konsum zu entsagen, den gehassten Job zu kündigen und wieder sinnvolle Sachen zu tun, ist schwer, aber ein möglicher Weg zu einem neunen Bewusstsein. Dieser Weg kann heilen.

Ein Kommentar

  1. Ja, das sind wahre Worte. Und irgendwie hängt der menschliche „Burnout“ eng zusammen mit jenem, der die Erde und ihre Ressourcen, ihre Natur und ihre Ökosysteme betrifft. Durch unsere Gier, unser Bestreben nach immer mehr Erleben, Erreichen und Konsumieren, überfordern wir nicht nur oft uns selbst, vergessen vor lauter Sucht nach mehr, dass es neben der Anspannung auch die Entspannung gibt. Und dass diese mehr Glück für uns bedeuten kann, als der Konsum von immer neuen Trends, wie der Smartwatch, die uns sagt, wie wir nachts geschlafen haben, wie viele Kalorien wir verbrauchten oder was wir nicht vergessen dürfen. Wir brennen aus, indem wir für unseren Konsum härter arbeiten oder auch immer mehr im immer kürzerer Zeit erleben möchten. Und zugleich sorgt unser Konsum für eine ausgebrannte Welt, die weit über ihre Verhältnisse hinaus von uns „genutzt“ wird. Ein Zurückschrauben, das kann ich aus eigener Erfahrung auch berichten, ist kein Verlust. Die Einschränkung des Konsums ist keine wirkliche Entschränkung, sondern in Wirklichkeit ein Gewinn fürs eigene Leben und für die Welt…

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