Sorgen Sie bitte für den Frieden

Ein Gastbeitrag von Matthias Koffler

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ich weiß nicht ob und wie dieser Brief bei Ihnen ankommt, ob er gelesen wird, ob er Verständnis oder wenigstens Verstehen findet. Vielleicht ist es wie ein Gebet. Man weiß nicht, ob es ankommt, ob es erhört wird, aber es ist wichtig und tut vielleicht auch gut, es zu formulieren oder auszusprechen. Ich fühle mich verpflichtet, diesen Brief zu schreiben, denn ich könnte es mir nicht verzeihen, es nicht zu tun. Um es vorne weg zu sagen: Ich bin enttäuscht und bisweilen entsetzt über die Politik in Deutschland, wie ich sie wahrnehme, inhaltlich und v.a. den Stil betreffend. Z.T. erlebe ich sie Menschenverachtend, um es ganz klar auszudrücken. Ich kann und will nichts schönreden.
Ich glaube nicht, dass man Frieden mit Waffen schaffen kann und ich glaube, dass mehr Waffen, mehr Leid und Tod bedeuten. Gerade neulich habe ich gelesen, dass man davon ausgeht, dass bisher an die 50.000 ukrainische Soldaten und ca. 100.000 russische Soldaten ums Leben gekommen sind. Die Zivilistinnen und Zivilisten offensichtlich gar nicht mit eingerechnet. JedeR Tote in Zusammenhang mit dem Krieg ist eineR zu viel.
Und ist es nicht zynisch, wenn der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow die Zahl der ukrainischen gefallenen Soldaten relativiert, indem der sie in Relation zu den Erdbebenopfern in der Türkei stellt. Immerhin hat er sich später dafür entschuldigt, aber offensichtlich ist der Kollateralschaden von zigtausenden Soldaten vernachlässigbar.
Ich finde es schon verstörend, dass hier in Deutschland unter dem Begriff „Zeitenwende“ militärisch aufgerüstet wird, 100 Milliarden als Sondervermögen dafür freigesetzt werden und das jährliche Budget der Bundeswehr aufgestockt werden soll. Und dann werden immer mehr Waffen und Kriegsgerät in das Kriegsgebiet geliefert. Verstörend und zynisch finde ich, dass diese Ansage des Bundeskanzlers noch durch Applaus und Standing Ovations begleitet wurde. Selbst wenn dieser Schritt notwendig sein sollte, so ist die Reaktion der meisten Abgeordneten nicht nur peinlich und zynisch, sondern auch unanständig. Welches Bild wird hier eigentlich vermittelt? Und welcher Ton und welches Vokabular scheint gerade en Vogue. Kriegsrhetorik in einem ungeheuren Facettenreichtum gehört schon fast zum guten Ton. Und wer nicht ins gleiche Horn bläst, ist naiv oder Verschwörer oder Putinversteher.
Um es ganz klar zu sagen, ich verurteile den Russischen Angriffskrieg und Putin, der ihn zu verantworten hat, und trotzdem will ich Putin und dessen Beweggründe verstehen ohne Verständnis zu zeigen. Und es wäre Ihre Aufgabe, zu versuchen zu verstehen, wie es soweit hat kommen können und wer welchen Anteil daran hatte durch aktives Handeln oder durch Unterlassung.
Sie machen es sich zu einfach, Putin als durchgeknallten Verbrecher darzustellen und nicht auch die Fehler bei den westlichen Mächten zu suchen, bzw. diese zu verschweigen. Dass Russland nach der Wende (die von Gorbatschow überhaupt erst ermöglich wurde) von den westlichen (Sieger-)Mächten mehrfach gedemütigt wurde, ist gerade zu offensichtlich. Ich glaube, dass sich in dieser Phase, Deutschland zu sehr abhängig von dem Machtstreben und den hegemonialen Interessen der USA gemacht hat. Die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der USA wurden ja nie auch nur Ansatzweise verurteilt. Das scheint mir eine Doppelmoral par excellance oder reiner Opportunismus, der das alte Narrativ des kalten Krieges bedient: Westen gut, Osten schlecht. In gleicher Manier tourt unsere „wertebasierte“ Außenministerin durch die Welt, besserwisserisch und arrogant die Ressentiments pflegend ohne sich auf ihr eigentliches Geschäft der Diplomatie zu besinnen. Auch hier wäre der Versuch, den anderen zu verstehen, ohne für alles Verständnis zu zeigen, angemessen und klug, wenn es doch um den Frieden und das Miteinander der Völker geht. Es kann und darf bei einer diplomatischen Außenpolitik nicht um missionarischen Eifer gehen. Das steht gerade uns Deutschen nicht zu.
Wo sehen wir die diplomatischen Bemühungen Deutschlands um den Frieden in der Ukraine, aber auch in anderen Kriegsgebieten? Vielleicht braucht es dafür Mut, aber auch Demut.
Warum werden die Bemühungen und Angebote zur Vermittlung im Ukrainekrieg Brasiliens, Iraks, Chinas, der Schweiz, der Türkei, Ungarns… eher schlecht geredet? Warum starten nicht alle Europäischen Länder Vermittlungsinitiativen für die Menschen in dem Kriegsgebiet unabhängig von den Vorbehalten und Interessen der USA. Oder sind wir schon deren Vasallen?
Was mir ebenso Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass Werte, die wir immer als zivilisatorische Errungenschaften verstanden haben, Miteinander Reden, Achtung auch vor Andersdenkenden, Frieden schaffen ohne Waffen, Eingestehen von Fehlern, Durchbrechen von Gewaltspiralen… weitestgehend als naiv, dumm und unsozial gebrandmarkt werden und gerade unserer nachwachsenden Generation die „Macht des Stärkeren“ als besonderen Wert vermittelt wird. Ich kann mich noch gut an den sogenannten „Kalten Krieg“ erinnern und die Angst, die mich als Jugendlichen permanent begleitet hat, dass hoffentlich nicht jemand ausversehen oder weil er eh nichts mehr zu verlieren hat oder weil er meint, schneller als der andere zu sein, auf den sprichwörtlichen „Roten Knopf“ drückt.
Ich will das so nicht mehr erleben und fordere deshalb zur Abrüstung auf. Für mich kann ich sagen, dass ich mich nicht sicherer in einem hochgerüsteten Land fühle. Verwenden wir doch die riesigen Summen, die wir für Rüstung und Militär ausgeben, sinnvoll für die friedenstiftenden Maßnahmen für ein global gutes Miteinander der Völker und der Nationen.
Kommen Sie bitte zur Vernunft und Ihrem grundgesetzlich verankerten Auftrag nach, jeden Schaden vom deutschen Volk abzuwenden und für den Frieden zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Koffler


Hinterlasse einen Kommentar