Ich weiß es nicht warum mich gerade heute das Gefühl und das Wissen überrannten, dass ich glücklich bin. Als meine Straßenbahn kam, drängte ich nicht rein, um einen von den begehrten Sitzplätze in Kölner Innenstadt zu erhaschen. Ich beobachtete seelenruhig das Gedränge, das aus Müdigkeit, Gereiztheit und dem Streben nach Stärke und Überlegenheit gegenüber den Mitmenschen geformt war. Mir wurde klar, dass ich glücklich bin.
Ich weiß noch nicht alles und ich will weiter lernen, aber ich weiß bereits ganz genau, was ich zum Glück brauche. Ich weiß, dass mich materielle Sachen nicht mehr befriedigen. Den Bibelspruch mit den Lilien und den Vöglein auf dem Felde hasste und verachtete ich jahrelang. Ich hätte ihn am liebsten verbieten lassen. Ich wurde rasend, wenn ich ihn hörte, nur weil ich ihn nicht verstand. Heute weiß ich, was er bedeutet; heute sind es schon ein paar Jahre her, dass ich den Inhalt dieses Bildes aktiv lebe. Ich weiß heute, dass ich eine Arbeit habe, die mich erfüllt; solange ich nur drei oder vier Tage arbeiten muss. Ich weiß aber auch, dass sehr bald die Zeit kommen wird, wenn ich mich auf den Weg mache und meinen Lehrerberuf aufgebe. Ich werde ohne Angst gehen, weil ich weiß, dass ich auch etwas Anderes wagen muss und will. Und das auch mit der Möglichkeit eines Fehlschlags. Die zweite Hälfte meines Lebens möchte ich anders gestalten und werde sie anders gestalten.
Nach unzähligen schlaflosen Nächten weiß ich heute ganz genau, warum ich nie einschlafen konnte. Ab heute finde ich den Schlaf in jeder Nacht, weil es mir gelang, die Hindernisse der Schlaflosigkeit wegzuschaffen. Ich rauchte jahrelang und es gelang mir nie aufzuhören. Ab heute rauche ich nicht mehr, weil ich heute soweit bin, nicht mehr dem Geschmack einer Zigarette zu folgen.
Ich lebe in einer wunderbaren Beziehung und ich weiß heute, dass ich glücklich bin. Das Glück war und ist ihr Band. Wir haben alles, auch wenn viele viel mehr haben.
Heute weiß ich ganz genau, was ich machen will und ich überfordere mich nicht dabei, wenn ich meine kleinen Träume mit kindlichem Eifer verwirkliche. Heute lüge ich weniger, ohne schweigen zu müssen. Ich erreichte alles, was ich wollte. Mehr zu erreichen, würde nicht zum mehr Glück führen, das weiß ich.
Ich weiß nicht alles und ich bereiste nicht die ganze Welt. Ich besitze kein Ferienhaus und kein Auto. Ich fliege im Sommer nicht nach Kuba, obwohl ich schon immer diese Insel sehen wollte. Mein nächster Computer wird nicht superschmal und superleicht sein. Meine nächste Hose wird kein Markenprodukt sein, das meinem alternden Popo angeblich eine bessere Form verpassen wird.
Ich habe jetzt die Zeit, glücklich zu sein.
…schön….
lg
Maria
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Sehr schön! Ermutigend!
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Hat dies auf Die Aufwachgrippe rebloggt.
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Ein sehr schöner Text!
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