Mehr links wagen

Gilles Deleuze schreibt in seinem „Abécédaire“, dass links zu sein bedeute „eine Horizontwahrnehmung“ zu haben. Dies heiße: Die Welt als Ganze zu sehen, die Probleme der Dritten Welt wichtiger zu finden als die des eigenen Viertels. Nicht links zu sein hingegen bedeute, die Wahrnehmung auf das eigene Land, auf die eigene Straße zu verengen. (Vgl. Didier Eribon: Rückkehr nach Reims, Suhrkamp 2016, S. 38.)

In Deutschland brauchen wir dringend eine neue Bundeskanzlerin/einen neuen Bundeskanzler. Wir brauchen massive Investitionen in Bildung, wir brauchen enorme Investitionen in unsere Kinder, denn die soziale Ausgrenzung von Millionen Kinder in Deutschland führt zur Verengung ihres Horizontes. Unsere Bundeskanzlerin, die gerne die Wörter wie Europa und Solidarität schwafelt, schwafelt diese aus ihrer Unkenntnis. Sie erwartet mehr Europa und mehr Solidarität von Millionen sozial abgehängten Menschen in Süd- und Osteuropa, sie verlangt Solidarität von Millionen prekär Beschäftigten in Deutschland. Wir brauchen endlich eine neue visionäre linke Politik, die nicht zögert, die nicht erst nach Katastrophen reagiert. Wir brauchen eine Politik, die nicht aus bloßem Machterhaltwunsch agiert. Wir brauchen mehr Horizontwahrnehmung. Diese ist nur durch Bildung und soziale Gleichheit zu erreichen und nicht durch mehr Rüstung, mehr Wirtschaftswachstum und mehr Produktivität. Diese Kanzlerin gaukelt uns ihre Horizontwahrnehmung nur vor; ansonsten schweigt sie, wartet ab, zögert. Sie ist schwach, ideenlos, verengt. Sie ist ein Urgestein des letzten Jahrhunderts. (Sie könnte zum Beispiel einen Monat in der Slowakei mit der slowakischen Durchschnittsrente von 420 Euro versuchen zu überleben. Sie käme höchstwahrscheinlich zerlumpt, hungrig und rechtsradikal-antieuropäisch nach Hause zurück.)
Wir wollen mehr. Wir wollen Frieden für alle, Bildung und Freiheit für alle.
Wozu ist mein ganzes Geld, mein Reichtum, meine eigene Bildung und mein gutes Leben, wenn zuerst eine Mauer an der europäischen Grenze entsteht, dann eine an der deutschen Grenze und schließlich eine um meine Stadt und zuletzt eine große mit Elektrodraht bezogene Mauer um mein Haus?
Wir müssen mehr links wagen!

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