Ein viel zu grüner Abend

“Grün wie ich dich liebe grün. Grüner Wind. Grüne Zweige. Das Schiff auf dem Meer und das Pferd in den Bergen. Mit Schatten auf ihrem Taillenbund träumt sie auf ihrer Veranda, grünes Fleisch, grünes Haar, mit Augen aus kaltem Silber. Grün wie ich dich liebe grün. Unter dem Zigeunermond, die Dinge schauen sie an und sie kann sie nicht anschauen…” (F.G.Lorca)

Lorca schrieb dieses surrealistische Gedicht Romance sonámbulo im Jahre 1928. Der Dichter wurde vermutlich am 19. August 1936 erschossen und gleich am Straßenrand irgendwo bei Granada begraben.

Als ich heute Mittag das grüne Gebirge vor San Juan de Ortega erreichte, rezitierte eine französische Pilgerin diese Verse von Lorca, der, kaum dass der Bürgerkrieg ausgebrochen ist, sterben musste. Ich lief an einem Denkmal vorbei, der an diesen schrecklichen Krieg erinnert.

“Temprano levantó la muerte el vuelo, temprano madrugó la madrugada, temprano estás rodando por el suelo.” (Miguel Hernández)

“Sehr früh erhebte sich der Tod zum Flug, sehr früh brach der Sonnenaufgang an, sehr früh wälzt du dich auf dem Boden.”

Was für ein Glück habe ich, diese Wälder zu durchstreifen, ohne angegriffen zu werden, ohne einer Gefahr ausgesetzt zu sein. Ich laufe auf einem friedlichen Streifen und ich sage bewusst Streifen, weil selbst wenn es heutzutage nur einen kleinen Krieg auf der Erde geben würde, dann wäre das friedliche Gebiet trotzdem winzig klein. Nur, wenn alle Kriege aufhören, hat die Menschheit die ganze Welt frei zum Durchwandern.
Unsere 10. Etappe (24 km) führte uns nach San Juan de Ortega. Im Jahre 2012 hatte dieser Ort 22 Einwohner und keinen Zigarettenautomaten. Heute weiß ich nicht, wie viele Einwohner es noch hier gibt, einen Zigarettenautomaten gibt es auf jeden Fall immer noch nicht. Dumm gelaufen wieder. Die nächsten Zigaretten können wir wahrscheinlich morgen in Burgos kaufen. Das sind aber noch 25 km, gefühlte 250 km für einen Raucher. Es gibt hier aber ein gewaltiges, nicht mehr bewohntes Kloster, das erstmals schriftlich 1138 erwähnt wurde und unser Hotel. Zehn andere Häuser ergänzen diese Idylle mitten im Grünen. Alles ist grün, viel zu grün. Zeit zum Entspannen, zum Lesen und sich mehrmals das Kloster anzuschauen.

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