Und dann kommst du an. Auf den letzten zwei Kilometern hinkst du zwar, aber du weißt, dass die Kathedrale von Santiago de Compostela ganz nah ist. Sie ist mit einem großen Gerüst verdeckt, aber das ist dir egal; du bist nicht wegen der Kathedrale hergekommen. Du denkst daran, wie kurz das Leben ist, aber dann liest du an einer Hausmauer: “Das Leben ist kurz, aber breit.” Der Sommer verflog, während du gelaufen bist. Alles verging viel zu schnell. Du hast jedoch die Breite des Wegen und des Lebens gesehen. Breite Landschaften, die du durchwandert hast, hast du in dich aufgenommen. Du hast Menschen mit breiten Horizonten kennen gelernt und gleichzeitig breite Horizonte in dir entdeckt, indem du den weniger Gescheiten begegnet bist. Du bist nicht zu Hause geblieben, bist nicht mehr zur Arbeit gegangen, um dein kurzes Leben breiter zu machen. Dann sitzt du in der Rúa do Castro, müde von dem weiten Weg, vielleicht auch verkatert, da du gestern Nacht in deinem neuen breiten Leben ziemlich breit ins Bett gegangen bist. Du hast die kurze Nacht breiter gemacht, indem du dir die besseren Weine servieren ließest.
Du hast den gefürchteten Anfang des Weges mit deiner Anfangseuphorie bewältigt, hast dich aber auf den ebenen Wegen manchmal gequält. Du hast leuchtende Orte mit glücklichen Menschen besucht und bist im galizischen Hungertal zwischen O Cebreiro und Palas de Rei auf die Verzweifelten – auf die Verlierer – gestoßen, die in ihrer Verzweiflung das Böse offenbarten. Du warst von so vieler Unfreundlichkeit geknickt, aber dein Leben war schon im Begriff breiter zu werden und du hast durchgehalten. Dann wurde das Licht in den vielen Orten viel heller, die Häuser mit Liebe gestaltet und schließlich bist du da – in Santiago. Du ruhst dich aus, aber bleibst nicht stehen. Finisterre – das Ende der alten Welt – wartet auf dich und du kannst es kaum erwarten, bis sich der breite Atlantik vor dir zeigt – ein kleines Stück in deinem kurzen, aber breiten Leben.
Nach 28 Lauftagen erreichten wir Santiago de Compostela. Die letzte Etappe war 21 km lang (O Pedrouzo – Santiago). Heute ruhen wir uns aus. Morgen laufen wir weiter nach Finisterre über Negreira und Olveiroa.
juhu, geschafft, angekommen! 🙂
es war schön, euch zu begleiten beim pilgern.
danke fürs teilen deiner eindrücke und gedanken.
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Herzlichen Glückwunsch! ☺️ Das Gefühl muss überwältigend sein. Ich hoffe, dass ich auch in einigen Jahren auf meinem „Jakobsweg in Etappen“ in Santiago ankommen werde. LG
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Das wünsche ich Dir, dass du ankommst!
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