Die kleine Sigrid muss schon als Kind ihren Geburtsort Kalundborg in Dänemark verlassen. Sie wohnt nun mit ihren Eltern außerhalb von Oslo. Noch hat sie die Natur ganz nah; sie kann sie spüren; sie kann sie anfassen. Sie geht in ihr auf und sie atmet sie ein.
Er spielt immer noch in seinem kleinen Dorf. Unwissend unschuldig; nicht ahnend, dass auch er später seinen Geburtsort – irgendwo in den Karpaten – verlassen wird. Zurück zu seinen Wurzeln soll es gehen. Sie liegen irgendwo im süddeutschen Raum. Das Leben ist kein konkretes Phänomen – nur eine wage Vorstellung zwischen einem Irgendwo und einem Irgendwann.
Sigrid muss ihren Eltern folgen. Der Vater erkrankt an Syphilis – sein Zentralnervensystem spielt nicht mit. Die Familie zieht immer weiter weg von der Natur – ins Zentrum von Oslo. Sigrid spürt nun die Natur nicht mehr. Sie kann sie in den immer düstereren Wohnungen nicht mehr anfassen. Sie kann nicht mehr barfuß laufen. Sie verliert ihren Lebensmittelpunkt.
Er wächst in einem Land auf, in dem es keine Freiheit gibt. Er nimmt sich jedoch seine kleinen Freiheiten. Er ist ein heiterer junger Mann.
Sigrid wird Sekräterin. Sie nennt sich Bürosklavin. An den Abenden beginnt sie, ihre Bücher zu schreiben. Dann verlässt sie Oslo. Gezeichnet von Ungerechtigkeit freut sie sich auf ihr eigenes Zuhause am Hang oberhalb von Lillehammer.
„Es war zu jener Zeit, als ich in Kristiania (heute Oslo) umherging, und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, eher er von ihr gezeichnet worden ist …“ (Aus: Knut Hamsun: Hunger)
Er verlässt die Karpaten – ebenso gezeichnet von jenen dunklen Bergen, gezeichnet von den Tabakplantagen und irrebreiten Mais- und Sonnenblumenfeldern. Keiner verlässt den Osten, eher er von ihm gezeichnet worden ist.
Sigrid schafft sich ein kleines Paradies. Ihr Garten und ihr Haus werden zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie schreibt, während sie ihre drei Kinder erzieht. Sie arbeitet unermüdlich – im Garten und am Schreibtisch. Sie bekommt, vielleicht ein wenig überraschend für sie, den Literaturnobelpreis. Nun musst sie einen Zaun um ihr Anwesen bauen, um sich vor neugierigen Menschen zu schützen.
Er ist angekommen. Er beginnt, sein Leben zu gestalten. Er zieht seine Kinder auf. Sein neues Haus gibt ihm Halt. Die Erinnerung an seine Heimat blüht in seinem Garten.
Der nahende Krieg vertreibt Sigrid aus ihrem Paradies. Als sie nach vielen Jahren zurück daft, ist ihr Haus verwüstet, ihr Garten verwildert. Sie beginnt neu. Nun hat sie aber keine Kraft mehr zum Schreiben und keine Kraft zum Leben. Sie schläft friedlich ein.
Auch er beginnt einen neuen Zaun zu bauen, er ahnt nur, dass er diesen Zaun nie fertig bauen wird. Er schläft friedlich ein.
8. Etappe: Lillehammer – Skåden Gård (24 km)
Eine gemütliche Strecke. Wir übernachteten auf einen sehr alten Bauernhof. Ich konnte jedoch nicht einschlafen. Dieser Weg übt auf mich manchmal einen enormen Druck aus. Ich fühlte mich sehr unglücklich in der Nacht und am liebsten wäre ich sofort abgereist. Nur mein Ehrgeiz hilft mir. Nach dieser Nacht wartete auf uns eine sehr lange Etappe.
Etappe 9: Skåden Gård – Ringebu (40 km)
Nun ja, die Nacht war desaströs. Draußen regnet es. Ich bin verzweifelt. Wir starten erst um 9.45. Nach einer Stunde Quälerei fühle ich mich jedoch fantastisch. Wir laufen problemlos im Dauerregen die 40 km zum Ziel. Eine kleine Belohnung ist die Stabkirche von Ringebu und ein China – Restaurant.