Als die junge adelige Svea sich im Frühjahr 1321 in den 22-jährigen Yannic verliebte, wurde der Anfang ihres vorgezeichneten Unglücks geboren. So ungefähr beginnt eine uralte norwegische Sage zu erzählen. (Diese Sage gibt es in Wahrheit erst seit einigen Stunden, da sie von mir heute auf dem Olavsweg erfunden wurde.)
Yannik, ein fescher Junge, wurde vom Schicksal nicht gerade mit Segen empfangen. Ein armer Bauernjunge war er nur, immer hungernd, immer frierend arbeitete er bereits mit acht Jahren als Holzschlepper.
Der jungen Svea missfiel das Leben ihrer gut situierten Familie, die ihren Unterhalt nicht selbst verdienen musste. Der ganze Wohlstand beruhte auf der Ausbeutung der armen Menschen, die in ihren kleinen Holzhütten Tag für Tag ums Überleben kämpfen mussten. Deshalb flüchtete sie, so oft wie möglich, in das nahegelegene Wäldchen, wo sie den starken Yannic erblickte. (Es ist uns leider nicht überliefert worden, wie die Liebe zwischen Svea und Yannik begann.)
Eines Tages erzählte Yannic Svea, dass er seine Elternhütte verlassen werde. Er erklärte ihr mit trauriger Stimme, dass sein Stamm nur einen Auseg kennt, aus dem Elend herauszukommen: Eine fünfjährige Wanderschaft vom Fjord von Kristiania bis an die nördlichste Grenze des Reiches. Der Weg dahin und zurück würde voller Entbehrungen sein. Viele jungen Männer starben bei diesem Unterfangen an Hunger in den langen Wintermonaten der Wanderschaft.
Svea blieb nichts anderes übrig, als ihrem Geliebten ihren Reisesegen zu geben – hoffend, dass er zurückkehren würde. Außerdem hegte sie die leise Hoffnug, dass ihre Familie Yannik nach dieser Reise als ihren Ehemann akzeptieren würde.
In jenem ersten Frühlingsmonat des Jahres 1322 brach Yannik auf. Svea weinte bittere Tränen in ihrer Einsamkeit; sie konnte nicht mal ihren Schmerz zeigen. Sie konnte nicht klagen über den großen Verrlust, sie konnte nicht über ihre Ängste sprechen. Ihre Familie würde sie in den Wald aussetzen, wenn sie erfahren würde, dass ihre Tochter einen armen Bauernsohn liebte.
Sie wollte jedoch nicht untätig da sitzen und hoffen, dass nach fünf Jahren ihr Yannik zurückkehrt. Sie dachte immer an den Hunger, von dem die zwei alten Männer erzählten. Nur diese zwei Männer kamen aus solcher Reise je zurück an den Fjord von Christiania. Und da viele erst kurz vor dem Ziel verhungerten, bekam Svea eine Idee.
Sie entschied sich, sofort ihr Elternhaus trotz der ihr drohenden Strafe zu verlassen. Sie würde Richtung Norden wandern und am Wegerand einen kleinen Samen von Johannisbeeren pflanzen. Wenn Yannik in fünf Jahren zurückkehrt, wird er auf den jungen Sträuchen genug Beeren finden und so die letzten Tage seiner Wanderung überleben. (Nun verliert sich wieder mal der Faden der Geschichte. Wir wissen nicht, wie es Svea gelingen konnte so viele Johannisbeersträucher zu pflanzen. Wir wissen nur das bittere Ende dieser Sage.)
Yannik kehrte nie wieder in seine Heimat zurück. Er heiratete im Norden des Reiches ein Bauernmädchen. Svea verrriet ihren Eltern nicht, warum sie so viele Johannisbeersträucher pflanzen wollte. Sie belog sie schlicht: Die Beeren sollten den vielen Pilgern helfen, wenn sie ihren Träumen auf dem Pilgerweg von Christiania nach Trondheim hinterherlaufen.
Und so findet der moderne Pilger unzählige Johannisbeersträucher auf seinem Weg nach Trondheim – an jedem Weg, am Waldesrande und in vielen Gärten. Bis heute ehren die Menschen den Mut und Sveas große Hoffnung auf Liebe, indem sie in ihren Gärten einen oder mehrere Johannisbeersträucher pflanzen.
Etappe 11: Vinstra – Sjoa (26 km)
Eine sehr abwechslungreiche Etappe bei Sonnenschein. Da wir gut geschlafen haben, sind wir schon um 6.30 Uhr losgelaufen. Unsere Unterkunft versprach kulinarisch alles Erdenkliche. Nun der Koch ist krank, wurde uns gesagt und der nächste gesunde Koch hockt 11 km entfernt in Otta. Also zurück in den Supermarkt. (5 km plus also) So ein wenig schlampig ist hier einiges. Die Steckdose in der Küche ist auch nicht richtig fest und der Duschvorhang ist uns nach einer Minute samt Schiene runtergefallen. Tourismuswüste Norwegen? Morgen wird es ernst, keine Unterkuft auf dem Weg. Hoffentlich hält das Wetter, damit die Wildnis nicht so wild erscheint.
(Man findet tatsächlich an jeder Ecke Johannisbeeren, Himbeeren und Pilze.)