Du läufst unter dem grauen Himmel, der Wind schlägt auf dich ein und du willst nur noch nach Hause. Es umgibt dich ein Meer von graugrünem Gestrüpp, du siehst die Flechten unter deinen Füßen. Du läufst stundenlang im Matsch, dein ganzer Körper ist nass und dein Rucksack zieht dich zu Boden. Du befindest dich über der Baumgrenze und siehst nichts anderes als den weiten grauen Horizont und an diesem Horizont ist immer noch kein gebratener Fisch, am besten mit Pommes, zu entdecken. Du bist hungrig, ausgelaugt und leer. Du verfluchst deine Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Dein Gemüt arbeitet fleißig an allerlei von negativen Fantasien und dies verstärtkt nur deine Verlorenheit in dieser Welt. Du beginnst diese Einöde zu hassen, willst deinen Schritt beschleunigen, aber deine Beine tragen dich nicht mehr. Du weißt, dass du irgendwo ankommen wirst, bevor die Dunkelheit diese ganze graugrüne Suppe verschluckt und trotzdem willst du hinschmeißen, du willst nicht weiter. Du denkst an deine gemütliche Wohnung, du bist in Gedanken in deinem Garten, wo so viele verschiedene Blumen blühen, eine ganze Pracht an Pflanzen in allen nur erdenklichen Farben und du Esel läufst mehrere Tage auf dieser feuchten Hochebene, in der dein Geist zum Monster wird. Irgendwann kommst du dann an und schmetterst den ganzen mitgebrachten Frust zuerst der älteren Dame an den Kopf, die sich liebevoll um eine Kirche kümmert. Du sagst ihr, dass es ein Wunder sei, endlich eine geöffnete Kirche zu finden, in der man sich kurz ausruhen kann und du ersparst dir nicht die ironische bösartige Bemerkung, dass hier die Tankstellen einen höheren Stellenwert für einen Pilger besitzen als die Kirchen. In der schäbigen Herberge musst du wieder mal um die Bettwäsche betteln und dich mit der englischen Sprache herumplagen. Du bist frustriert, weil du dich bemühst Norwegisch zu reden und bekommst alle Antworten auf Englisch. Dann bricht eine Lavine aus und du verfluchst diese kulturell flache Welt, diese eintönige kulturelle Brache, die die Globalisierung mit sich brachte. Du wirfst dein Wörterbuch in den Müll und beim Abendessen bist du so weit, dass du einer norwegischen Familie, deinen ganzen Frust mitten auf den Esstisch wirfst. Du trinkst dir den Abend erträglich und wieder im Zimmer holst du das Wörterbuch wieder aus dem Müll heraus und du fasst den Entschluss, nicht aufzugeben. Schon Morgen wirst du von Neuem gegen diese graugrüne Landschaft mit neuer Kraft in den Kampf ziehen und die verflachte kulturelle Mittelmäßigkeit mit deiner erlernten Sprache bunter machen.
Hätte ich jedoch in dieser Nacht Verse geschrieben, wären diese Verse die Traurigsten aller Zeiten. (sehr frei nach Pablo Neruda)
Du stehst auf und du siehst plötzlich einen klaren blauen Himmel. Du kannst es noch nicht glauben, aber er ist tatsächlich wolkenlos blau. Nach dem Frühstück läufst du in diesen neuen Tag hinein, immer höher den kleinen Pfad. Nur kleine Reste vom gestrigen Frust machen deine Schritte etwas schwer, aber du erreichst die Bergspitze und siehst von dort oben eine andere – eine wunderbar bunte Welt.
Etappe 15: Furuhaugli Turisthytter – Hjerkin (18 km)
Wie mein Text schon sagt, war diese Etappe nicht einfach. Der Nationpark Dovrefjell ist sicherlich einmalig, aber nicht an jedem beliebigen Tag. Es war alles ungemütlich grau und nass.
Ausflug zur Aussichtsplattform (am Horizont der leicht schneebedeckte Berg Snøhetta) – 8 km
Der kleine Beschiss: Wir fuhren heute ein Stückchen mit dem Zug nach Oppdal. Hurraaa Zivilisation. Hier ruhen wir uns aus, weil auf uns 6 schwierige Etappen bis ans Ziel warten und wir können uns keinen einzigen Pausentag mehr gönnen. Wir genießen jetzt unglaubliche 25 Grad bei Sonnenschein, zumindest 2-3 Tage.